Bei Food Aufnahmen muss man beachten, dass die Speisen durch die Kamera ganz anders wirken als mit bloßem Auge betrachtet.

Food Styling mit Geschmack!

Food Styling soll Appetit machen und hat sich zu einer eigenen Kunstform entwickelt: Die Kunst des Anrichtens der Speisen auf dem Teller zeichnet die wahren Küchenmeister aus. So wird der Teller zur Leinwand und skulpturalen Stellfläche. Aber schmecken, das soll es doch auch!

Man kennt es vor allem von einschlägigen Burgern: In Wirklichkeit sehen sie überhaupt nicht so aus wie ihre Reklamebilder versprechen. Dort wirkt ihr voluminöser Glanz und Dampf wie frisch vom Grill, tatsächlich ist er Lackspray, Pappe, kleinen Stelzen und Trockeneis zuzuschreiben. Fotos von klaren Fertigsuppen sind erst recht getrickst, und es bleibt nicht dabei, dass statt des Beutelinhalts frische Zutaten aufgekocht werden: Damit die schweren Suppenbestandteile nicht alle am Grund liegen, wird der tiefe Teller Schicht für Schicht gefüllt und nach jeder neuen Lage ins Gefrierfach gestellt. Nur so sind Erbsen, Fleischstückchen und Karotten am Ende richtig schön im Fond verteilt.

Anita Tavernini-Ott erkennt sofort, wenn auf Food Fotos mehr Schein als Sein im Spiel ist. Wohl kaum ein Gericht, das die Köchin, von der das meiste in unserer Rezepte-Rubrik stammt, in ihren 40 Berufsjahren nicht schon zubereitet hat. "Als Fachkraft sehe ich, wenn die Qualität des fotografierten Essens nicht seinem Aussehen entspricht. Meistens ist hier nicht gar gekocht, sondern nur gefärbt worden. Bei Fleisch lässt sich das auch an der Struktur erkennen." Schon in jungen Jahren hat die heute 58-jährige Diätköchin bei internationalen Kochkunst-Ausstellungen Preise kassiert. Gerade Berufsköche sind gefordert, ihre Speisen appetitanregend auf die Teller zu bringen, soll doch schon der Anblick das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Mit dem Unterschied, dass das Gericht sein visuelles Versprechen auf der Zunge auch einlösen muss und genau so toll schmeckt wie es aussieht.

Anita Tavernini-Ott versteht sich neben ihrer Kochkunst sichtbar auf die Kunst, Speisen so anzurichten, dass der Bewirtete begeistert ist. Schon die Farben der Zutaten spielen dabei eine Rolle, genauso die Kombination ihrer Formen und Texturen. Ein gekonnter Mix geht ins Skulpturale, ist ein bisschen aufgetürmt und abschließend von etwas gekrönt, das die Frische betont. Wie eben gepflückt muss es wirken und zudem gestalterisch wie geschmacklich passen. Das kann ein aromatischer Rosmarinzweig sein, eine essbare Blüte oder die graziös gebogene Zitronenscheibe.

Die Anordnung der einzelnen Speisen auf dem Teller sollten ein harmonisches Bild ergeben. Traditionell kommt die Garnitur in den oberen Bereich des Tellerspiegels. Unterlegt vom Saucenspiegel wird die Hauptkomponente (häufig Fleisch oder Fisch) im unteren Bereich platziert. Das Gemüse füllt den rechten, Sättigungsbeilagen den linken Bereich des Tellerspiegels. In der modernen Küche ist dies aufgelockert. Köche dürfen wie Künstler mit der Komposition spielen und prägen so ihren eigenen Stil.

So glücklich den Esser der Anblick dieser kunstvoll dargebotenen Komponenten macht, so sehr steigert es noch den Genuss beim Verzehr, dieses servierte Bild zu verändern, während man eigene Zusammenstellungen aus den Speisen auf die Gabel lädt und sich mit jedem neuen Bissen eine neue Geschmackskomposition kreiert. – Die Größe der Portionen ist dabei ein wichtiges Element: Die Teller sollten nicht überladen, aber auch nicht zu klein sein. Schlichtes Porzellan ist bei der Wahl des Geschirrs meist die beste Wahl.

So lauten die üblichen Empfehlungen an Neulinge auf dem Gebiet perfekter Speisenpräsentation. Anita Tavernini-Ott geht es dabei mehr noch um Authentizität und frische Zutaten. Ihre Erfahrung: "Wenn das Grundmaterial gut ist, sieht auch das Essen gut aus." Also Lebensmittel aus der Region und saisonale Rezepte. Anitas Vater ist ein alter Biobauer aus den Südtiroler Alpen. Das Wissen um die Vitamine und Heilkraft heimischer Pflanzen hat er an seine Tochter weitergegeben. Anita gibt es in ihren Rezepten weiter, z.B. beim Lammkotelett mit Kartoffelgratin, Bohneninvoltini und Basilikum-Grilltomate:

"Schaf- und auch Lammfleisch ist häufig für seinen bockigen Geschmack verpönt. Dieser entsteht unter anderem, wenn die Schafe im Stall unter zu engen Bedingungen gehalten werden. Dann reiben sie ihr Fell aneinander, und der bockige Geruch vom Stall überträgt sich auf das Fleisch. Gerade bei Lammfleisch existieren gravierende Qualitätsunterschiede zwischen Industriefleisch und einem gut gehaltenen Weidetier." Anita ist überzeugt: "Die wachsende Zahl von Labels brauchen wir nur, weil die Ware nicht mehr ist, was sie mal war. Am besten sehe ich mit eigenen Augen beim Metzger meines Vertrauens, wo das Fleisch herkommt."

Seit Anita Tavernini-Ott mit dem Küchenarchiv ihren Traum verwirklicht, die eigenen Rezepte und ihre handwerkliche Erfahrung für die Nachwelt zu erhalten, ist sie selbst vor die Situation gestellt, für den Fotoapparat zu kochen. Hinter der Kamera steht ihre Tochter Theresa. Diese weiß: "Bei Food Aufnahmen muss man beachten, dass die Speisen durch die Kamera ganz anders wirken als mit bloßem Auge betrachtet. Hier ist es besser, sie auf einem kleinen Teller anzurichten, denn auf dem Foto wirkt sich ein zu großer Weißraum ungünstig auf die Bildkomposition aus. Oft ist es besser, eckige Teller zu verwenden. Auf ihnen erscheint das Essen eleganter. Für Eintöpfe eignet sich aber auch mal dunkles Steinzeug, für Bruschetta Schiefertafeln oder Holzbrettchen. Desserts machen sich auch in Gläsern gut."

Anita hat noch eine Tochter, die für gutes Gelingen sorgt: Barbara ist selbstständige Produktdesignerin. Aus ihrer Zusammenarbeit mit Food Stylisten der Hausgeräte Branche kennt sie einige Tricks und Kniffs, aber auch die verträglichen Alternativen: "Man kann den Salat mit Haarspray ungenießbar 'auffrischen' oder wie wir einfach schnell sein beim Fotografieren. Fehlt Glanz auf Fleisch oder Gemüse, kann man auch Öl verwenden, nicht Glycerin und Acrylspray. Bratensoße kommt ziemlich schnell ins Stocken. Die muss man ggf. mehrfach anrichten. Beim Erdbeersorbet haben wir uns richtig beeilen müssen. Oft ist das gar kein Eis, sondern eine Masse aus Margarine und Farbstoff. Bei uns kommt auch der Dampf vom wirklich heißen Essen und nicht vom Trockeneis. Da grenzen wir uns schon ab." Nachträgliche Bildbearbeitung, erzählt Barbara, sei so gut wie nicht nötig gewesen.

Echtes Essen: Über drei Wochen hinweg hat das Trio die ersten 30 Rezepte ins Bild gesetzt. Ein konzertantes Zusammenspiel, das nur gelingen kann, wenn jeder Handgriff sitzt, wenn alle Einzelkomponenten des Gerichts gleichzeitig gar werden, Licht und Kameraeinstellung im Moment der Fertigstellung genau passend sind. Beim Entstehungsprozess der appetitanregenden Detailaufnahmen, verlockenden Totalen und malerischen Draufsichten wurden alle Rezepte abschließend auf Herz und Nieren geprüft. "Ich habe für den Bauch gekocht, nicht nur fürs Auge," betont die Köchin. "Nichts sollte fingiert sein. Jeder von uns hat abgeschmeckt, so dass es wirklich mundete. So sind die Rezepte auch geschrieben: grammgenau."

Ossobuco mit Zitronen-Salbei-Gremolata an Tomaten-Salsa mit Risotto Milanese und Parmigiano Padano: In den schönen Titeln schwingen oft Begriffe aus vielen europäischen Ländern mit – nicht nur, um auf die Herkunft mancher Zubereitungsmethode zu verweisen, auch für den interessanten Klang. Er soll beim Lesen zusätzlich Lust machen, das Gericht nachzukochen. Dass dies auch dem Anfänger gelingt, auf diese Verständlichkeit hin haben Barbara und Theresa alle Anleitungen noch mal geprüft.

Der vierte Ott im Bunde, Bruder Sebastian, hat Home- und Fanpage bereitgestellt: In Zukunft sollen auch andere Köche und Foodstylisten die Möglichkeit bekommen, beim Küchenarchiv ihre Rezepte mit Bildern einzureichen und die Lizenzen über diese Plattform zu verkaufen. Und einen ganz speziellen Service soll es geben: Die Rückerschließung nicht vorhandener Rezepte auf Basis von Fotografien dieser Gerichte. Weihnachten könnte die passende Zeit dafür sein, in der Schublade nach alten Aufnahmen von Großmutters Sonntagsbraten zu fahnden. Oder das eine oder andere Rezept aus dem Hause Tavernini-Ott nachzukochen.

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Kommentare (1)

Daniel

Herzlichen Glückwunsch zu diesem gelungenen Artikel. Die Fotos sind wirklich ästhetisch und appetitanregend. Man sieht, dass mit Liebe zum Gericht gearbeitet wurde.

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