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Lior Lev Sercarz, New Yorks Gewürze-Guru, beim Würzen in seiner Küche (c)Thomas Schauer.jpg

Besser würzen können

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„Dieses Buch habe ich geschrieben, weil mir auffiel, dass die meisten Leute ziemlich wenig Ahnung von Gewürzen haben: woher sie stammen, wie sie angebaut werden, wie sie in ihrer natürlichen Umgebung aussehen, wie arbeitsintensiv die Ernte ist, wie sie eingesetzt werden und wie inspirierend ihre Verwendung in der Küche ist.“

Lior Lev Sercarz wuchs in Israel in einem Kibbuz auf und fand das Essen dort als Kind oft fad. „Alles, woran ich mich aus dieser Zeit erinnern kann, sind gekochte Gerichte, allzu oft überzuckert oder essigsauer.“ Bei den libanesischen und persischen Nachbarn und in den Orten des späteren Palästina lernte der heute 45-Jährige Gerichte kennen, die ihm viel besser schmeckten und aufregend gewürzt waren. Wegen der Arbeit des Vaters zog die Familie dann nach Belgien. An den Wochenenden machte man Ausflüge nach Frankreich und Holland. Sercarz Mutter begeisterte sich für die fremde Küche und ihre exotischen Zutaten. Fortan verzichtete sie oft darauf, koscher zu kochen. Als die Familie wieder in Israel lebte, setzte sie alles daran, die neu kennengelernten Ingredienzien zu besorgen.

Auch der junge Lior war inspiriert von den neuen Aromen, die er kennengelernt hatte, und kreierte als Teenager seine erste Fischgewürzmischung aus Chiliflocken, Salz, Paprika, Knoblauch und syrischem Oregano. Es sollte der Beginn einer großen Leidenschaft werden. Nach dem Militärdienst, während dem er mit fürs Kochen verantwortlich war, reiste Lior Lev Sercarz nach Südamerika. Wo andere Touristen Inka-Ruinen und Wasserfälle sehen wollen, besuchte der junge Israeli Chili-Farmen in Peru und Ecuador und ließ sich in Kolumbien den Kardamon-Anbau erklären.

Spätestens nach dieser Reise war klar, dass Kochen sein Beruf werden sollte. Nach einer gastronomischen Grundausbildung ging Sercarz nach Lyon ans renommierte Institut von Paul Bocuse. Einer der Köche erkannte Sercarz Begeisterung für Gewürze und drückte ihm ein Buch des bretonischen Starkochs Olivier Roellinger in die Hand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sercarz geglaubt, „Franzosen genüge Salz, Pfeffer und ein Zweig frischer Thymian“. Er las das Buch 20 Mal. Dann bewarb er sich bei Roellinger in Cancale um ein Praktikum, zunächst vergeblich. Am Ende klappte es doch.

„Ich wollte alles von ihm über Gewürze lernen, die Geschichte, die Handelsrouten, aber Olivier, Inbegriff eines Mentors, nötigte mich, selbst zu forschen, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Meinen Bezug zu den Gewürzen sollte ich mir selbst erarbeiten, ich musste meinen eigenen Weg finden.“

Und so kam es: Nach 15 Jahren als professioneller Koch erkannte Lior Lev Sercarz, dass sein Herz für etwas anderes schlug: „Ich besann mich darauf, was mir am meisten Freude bereitete: Gewürze verwenden und Kekse backen.“ Sercarz beschloss, „ins Keks- und Gewürz-Buisiness einzusteigen“. Olivier Roellinger fand die Idee gut und hatte gleich einen Namen für die neue Firma parat: „La Boîte à biscuits“ – Keksdose. Es zogen noch einige Jahre und ein Ortswechsel ins Land, aber seit 2006 ist LA BOÎTE im Manhattaner Stadtviertel Hell’s Kitchen mehr als ein Geheimtipp. Sercarz präsentiert dort regelmäßig neue Keks-Kollektionen, deren Dosen er von Künstlern gestalten lässt, die parallel in seinem Ladenlokal ausstellen. Seine über 60 Gewürzmischungen verkauft Sercarz an Kunden und Top-Restaurants in der ganzen Welt.

Das Buch „Gewürze“ des ausgewiesenen Spice-Gurus ist kein Gewürzlexikon im herkömmlichen Sinne, sondern ein umfassender Ratgeber, in dem über 102 großteils unbekannte Gewürze großformatig in ihrer Gestalt und Verwendbarkeit vorgestellt werden. Sercarz führt vor Augen, wie einseitig Gewürze meistens in Gebrauch sind. Zeit, mit Vorurteilen aufzuräumen, bestimmte Gewürze seien auf bestimmte Gerichte festgelegt. Sercarz zeigt auch das nicht gesehene Potenzial vieler Gewürze auf. Sichuanpfeffer oder Selleriesaat vermittteln z. B. das Gefühl, etwas Süßes oder Salziges gegessen zu haben, ohne dass das Gericht Zucker oder Salz enthält. Amchoor (Pulver aus unreifen Mangos) wiederum ist oft besser geeignet als Zitronenschale: Es enthält keine Bitterkeit und verliert beim Kochen nicht an zitroniger Intensität. Hunderte mehr solcher würzigen Weisheiten finden sich in diesem sehr schön gestalteten Bildband der Deutschen Verlags-Anstalt.

Fotos: Thomas Schauer

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